Erfahrungen eines einfachen Sammlers
(dieser Beitrag wurde 2004 geschrieben)

Wie viele Sammler habe ich mich für das Deutsche Reich entschieden: Zunächst die Hauptnummern gemäß Michel-Katalog Deutschland. Dabei habe ich - um voran zu kommen - ganze Sammlungen erworben mit dem Ergebnis, dass Dubletten reichlich anfielen. Krone-Adler und Germania Marken brachten mich auf die Farbnuancen: Ganz offensichtliches Beispiel: 45 braun und ocker. So erwarb ich einen Michel Deutschland Spezial und versuchte mich an den Farbvarianten - und das war der Beginn von Irritationen, die mich auf meinem weiteren Sammlerweg begleiteten.

Michel-Deutschland-Spezial
Bei der Betrachtung meiner Farbnuancen fielen mir zahlreiche Marken auf, die einfach nicht zu den Farbangaben des Michel-Katalogs passten. Ich bleibe hier bei Beispielen aus dem Bereich (31-52) meinem späteren Hauptsammelgebiet:

34a34b37a39b41a43b44ca46b







34a ultramarin     34b kobaltblau      37a violettpurpur      39b gelblichgrün 41a lebhaftkarmin 43b rötlichorange 44ca hellsmaragdgrün 46b gelblichgrün









Die Bilder (jeweils oben mit der Farbe meiner Nuance, unten in der Farbe des Michel-Farbenführers, die darüber stehend genannt ist) sind jeweils passend eingefärbte digitale Muster.

Insbesondere durch die Revision des Bereiches 1875-1900 im Michel Deutschland Spezial Ende der 90er Jahre wurden diese Diskrepanzen besonders krass. Das offensichtliche Konzept, jeder Variante  im Farbenführer vorhandene Farbbezeichnungen  zuzuordnen, führt bei den hier zu betrachtenden Markenserien zu groben Ungenauigkeiten. Das Farbenspektrum dieser Marken ist erheblich reichhaltiger, als es der Katalog darstellt und die überwiegend matten Farben passen häufiger nicht zu den klaren Farben der Farbtafeln des Farbenführers.

Literatur
Parallel zu meinen Bemühungen lief mir dann die erste weitergehende Literatur antiquarisch über den Weg: Das Pfennige-Handbuch und der dazu gehörige Beschreibungstext. Später dann auch die Literatur zur 37: Knop, Zenker und die erste Quelle: Stoebe (1930). Für die Serien Pfennig und Krone-Adler fehlt bis heute entsprechendes. Zur Serie Krone-Adler erhielt ich auf Nachfrage bei Herrn Petry den entscheidenden Literaturhinweis: die ArGe Beschreibung von 1966/67 in der DBZ. Erst sehr viel später erreichte mich ein Manuskript von Dr. Salm von 1991, das als Entwurf für das seit langem geplante Pfennig-Handbuch gedacht war. Erst diese teils schon historische Literatur brachte mich einen entscheidenden Schritt weiter. Es ist traurig, dass - außer dem Bändchen von Knop, der sich hauptsächlich mit den Druckabweichungen der 37 beschäftigt  -  heute nichts mehr davon im Handel erworben werden kann. (Nachtrag: Das Pfennig-Handbuch ist im Sept. 2006 erschienen (s. Literatur)).

Prüfer
In meinem Beruf hatte ich gelernt, erst wenn man selbst formuliert, was man meint erfahren und verstanden zu haben, versteht man es wirklich. So machte ich mich daran, eine Beschreibung mit  farblich möglichst korrekten Bildern von allen diesen in der Literatur erwähnten Farbnuancen zu erstellen. Dabei stellte ich fest, dass meine Unsicherheit in der Bewertung mir vorliegender Marken nur durch  Prüfung meines Materials  behoben werden konnte.  Insoweit verdanke ich den Prüfern viele Detailkenntnisse.
Je mehr Material ich untersuchte - hier hat mir zuletzt das von Silvio Grugel aus Crostau zur Verfügung gestellte sehr reichhaltige Material besonders geholfen - desto präziser wurde auch das eigene Urteil und es mehrten sich Zweifel an den geprüften Marken. Hierbei meine ich nicht die seltenen Fälle, bei denen ich eine Fälschung des Prüfstempels fand oder sich ein Prüfer offensichtlich mal vertan hat. Die Zweifel betrafen den Wandel in der Bewertung, der sich bei den Prüfern vollzogen hat. Dies wird insbesondere an den Unterschieden deutlich zwischen den Altprüfungen von Zenker (GOTW. ZENKER BPP) und denen der heutigen Prüfer Wiegand, Petry und Jäschke-Lantelme:
Auffällig ist dies bei den Varianten 35aa, 35ab, 43ba, 43bb und 47ea, die zu Zeiten Zenkers im Michel Deutschland Spezial noch gar nicht vorhanden waren und daher nicht als solche geprüft werden konnten. Dies führt dann dazu, dass von Zenker als 35a, 43b und 47e geprüfte Marken nochmal untersucht werden müssen - insbesondere bevor man sie verkauft.
Anders verhält es sich bei Abgrenzungen, die sich für Außenstehende unmerklich verändert haben. Dazu gehören insbesondere 36b, 42ba, 45ca, 45d, 47ca, 47da, 48aa, 48c, 50a und 50ab, die von Zenker teilweise großzügiger bewertet wurden, als das heute der Fall ist. Dies bedeutet, dass evtl. früher teuer erworbene Stücke nicht nur dem üblichen Werteverfall unterliegen, sondern wie z. B. im Fall der 48c durch Herabstufung zur 48b völlig ihren Wert verlieren - eine ernüchternde Erfahrung.
Eine weitere Zenkersche Großzügigkeit (aus heutiger Sicht): Manche als in optimalem Erhaltungszustand durch die Lage des Prüfzeichens ausgewiesene Marken würden heute bei angestiegenen Ansprüchen nur noch ein etwas erhöht angebrachtes Prüfzeichen erhalten. Abgesehen davon können die Marken inzwischen allerlei erlitten haben, denn die Zenkerschen Prüfzeichen sind mindestens 10 Jahre alt.

Das Buch von Jäschke-Lantelme
Mitten in meine Arbeit platzte das Buch von Jäschke-Lantelme. Doch welche Enttäuschung: Die Bildseiten fand ich fast unbrauchbar für den Vergleich mit den Marken, oft waren zwar Tendenzen zu erkennen, aber nur selten wirklich erhellende Schlüsse daraus zu ziehen. Dagegen waren die Beschreibungen wirklich eine Bereicherung und zwar in einem Punkt, der bisher in der mir bekannten Literatur keine Beachtung  gefunden hatte und daher  für mich erstmals deutlich wurde: Es kommt nicht nur auf die Farbe an, sondern auch auf den Farbauftrag (flüssig, trocken, porös, löchrig, deckend):  besondere Beispiele sind  41aa, 42ba, 46ba und 48ba. Bei  diesen Marken gibt es Nuancen in nicht mehr unterscheidbarer Farbe, die zu 41a , 42c, 46b oder c und 48b gehören. Bei weiteren dunklen Marken sind es nicht gelöste Farbpartikel, die sich als sehr dunkle kleine Flecken bemerkbar machen, was zu der Formulierung "rußiger Farbauftrag" geführt hat. Hierzu gehören z. B. 36b, 45aa und 46aa, bei denen es 36a, 45a oder b und 46a oder c Marken von vergleichbarer Dunkelheit und Farbe gibt.
Ein weiteres gutes Hilfsmittel sind die im Buch angegebenen - und zum großen Teil schon in der oben erwähnten Literatur vorhandenen aber teilweise aktualisierten - Daten über die Abstempelungen (Frühdatum, Hauptverwendungszeit). Diese Angaben  - insbesondere das genaue Frühdatum helfen in Zweifelsfällen oft weiter: So sind bei der 38b gegen die dunkle 38a und bei der 44c gegen hellere 44b nicht so sehr die Farbunterschiede  so deutlich, sondern frühe Abstempelungen machen eine Unterscheidung leicht. Die 38b kam ebenso wie die 44c mehrere Monate früher an den Schalter als die nachfolgenden häufigeren Varianten 38a (dunkel) und die 44b.
Bei vielen Marken ergeben daher erst Farbe, Stempeldatum und Farbauftrag die notwendige Sicherheit.