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Ausführungsbestimmungen
zu der Uebereinkunft vom 7. Dezember 1869,
betreffend das Portofreiheitswesen in den nicht zum Norddeutschen Bunde gehörigen Theilen des Großherzogthums.

In Folge der, im Großherzoglichen Regierungsblatt Nr. 10 von 1870 abgedruckten Uebereinkunft vom 7. December 1869, betreffend das Portofreiheitswesen in den nicht zum Norddeutschen Bunde gehörigen Theilen des Großherzogthums, ist es notwendig geworden, auf eine Unterscheidung der Postsendungen zurrückzukommen, welche von besonderer Bedeutung war, ehe die Gemeinden die zur Zeit noch in Kraft befindlichen Verträge mit der Postverwaltung wegen Aversionierung der Porto- und derggl. Gebühen abgeschlossen haben.
Es ist nämlich nunmehr, wie vordem, sorgfältig zu unterscheiden zwischen:
a) Sendungen in eigentlichen Staatsdienst-Angelegenheiten, - und
b) Sendungen von und an Gemeinden in Gemeinde-Angelegenheiten sowie in Privat- und Partei-Angelegenheiten.

Zwar wird für die sämtlichen, unter a) und b) bezeichneten, gesetzlich portopflichtigen Sendungen in den Landestheilen südlich des Mains das Porto gegenwärtig nicht im Einzelnen entrichtet, indem:
ad a) bezüglich der Sendungen in eigentlichen Staatsdienst-Angelegenheiten eine Aversionierung Seitens des Staates, - und
ad b) bezüglich der Sendungen von und an Gemeinden in Gemeinde-Angelegenheiten, sowie in Privat- und Partei-Angelegenheiten eine Aversionierung Seitens der Gemeinden -
stattgefunden hat. Da indessen dieser Zustand voraussichtlich demnächst eine Aenderung erleiden wird, so ist es für angemessen erachtet worden, schon jetzt eine genaue Beachtung jener Unterscheidung eintreten zu lassen und es wird demgemäß für die Großherzoglichen Behörden und Beamten resp. Gemeinde-Beamten, Ortsgerichts-Vorsteher und Gemeinde- Bediensteten in den Landestheilen südlich des Mains Folgendes bestimmt:

I. Sendungen in eigentlichen Staatsdienst-Angelegenheiten zwischen Großherzoglichen Behörden etc. einerseits, und Gemeinde-Beamten etc. andererseits sind sowohl von den Großherzoglichen Behörden etc., als auch von den Gemeinde-Beamten etc. unter dem Vermerk 'frei laut Aversum Nr. 5' und unter Beobachtung der desfalls in der Bekanntmachung Großherzoglichen Ministeriums des Großherzoglichen Hauses und des Aeußernvom 26. März 1870 (Reg.-Bl. Nr. 10) ertheilten Vorschriften abzusenden.

Als Sendungen in eigentlichen Staatsdienst-Angelegenheiten, soweit solche sich auf Gemeindeverhältnisse beziehen, gelten namentlich die Sendungen, betreffend die Wahlen der Ortsvorstände, Prüfung und Bestätigung derselben, die Ernennung, Verpflichtung und Einweisung in den Dienst der Bürgermeister, Beigeordneten, Gemeinderathsmitglieder und Polizeicommissäre, der Rechner und Polizeiofficianten, einschließlich der Forstwarte und Feldschützen, Prüfung und Genehmigung der Voranschläge und der Rechnungen, die gesetzlich vorgeschriebenen Mittheilungen daraus an die Ausmärker, die Beitreibung der Ausschläge und Intraden von der Nothwendigkeit der Pfändung an; die Autorisation zur Prozeßführung, die Genehmigung von Statuten über den Allmendengenuß, von öffentlichen Arbeiten, von Kapital-Aufnahmen, Veräußerungen oder Erwerbungen von Gemeinde-Vermögen in den Fällen, in welchen die Einholung höherer Genehmigung nothwendig ist; die Aufsicht der Staatsbehörden hinsichtlich des Fasselviehs der Gemeinden, die Bildung der Wiesenvorstände, die Correspondenz der Verwaltungsbehörde mit denselben, Prüfung der Genehmigung der von Gemeinden für Arme oder Localanstalten zu bezahlenden Apotheker-Rechnungen.

In dem Verkehr zwischen Großherzoglichen Behörden etc. und den Ortsgerichts-Vorstehern sind als Sendungen in eigentlichen Staatsdienst-Angelegenheiten insbesondere die Sendungen, betreffend die Ausübung des staatlichen Aufsichtsrechtes und die Strafrechtspflege, sowie Leumundsberichte zu betrachten.

II. Sendungen in Gemeinde-Angelegenheiten, sowie in Privat- und Partei-Angelegenheiten sind:
1) von den Großherzoglichen Behörden etc., ohne irgend andere Bezeichnung, als die Adresse, an die Gemeinde-Beamten etc abzusenden, und es ist hierbei besonders darauf zu achten, daß die Sendungen nur an die Stelle, welche der Empfängerbekleidet, gerichtet werden, demnach den Familiennamen des letzteren nicht tragen. (Dieser Name ist ausnahmsweise dann zuzufügen, wenn derselbe zur Vermeidung unrichtiger Bestellung der Sendung nothwendig ist. Hat die Postanstalt eine solche Sendung als porto- und gebührenpflichtig behandelt, so werden auf ergehende Reclamation - gegen Bescheinigung des Inhalts auf dem Couvert der Sendung oder in anderer Weise - die taxierten und erhobenen Porto- und Gebührenbeträge zurückerstattet.) Der Verschluß der hier fraglichen Sendungen mit amtlichem Siegel ist nicht erforderlich.
Anmerk; Da die in den Landestheilen nördlich des Mains gelegenen Gemeinden Kostheim (Kreises Mainz), Trais a.d.L. (Kreises Gießen), Ohmes, Ruhlkirchen, Seidelsdorf, Bodenrod (Kreises Alsfeld) Porto- etc. Aversionalverträge mit der Postverwaltung nicht abgeschlossen haben, so ist hier die vorstehend unter Nr. II. 1 gegebene Vorschrift nicht anwendbar, vielmehr sind die fraglichen Sendungen von den in den Landestheilen südlich des Mains befindlichen Großherzoglichen Behörden etc. unfrankirt, jedoch mit der Bezeichnung "Portopflichtige Dienstsache" und mit amtlichem Siegel verschlossen an die Beamten etc. der genannten Gemeinden abzusenden.
2) von den Gemeinde-Beamten etc. unter der Bezeichnung "Gemeinde-Dienstsache", sowie mit dem Namen des Absenders versehen an die Großherzoglichen Behörden abzusenden.
Anmerk: Diese Bestimmung findet auf die in der Anm. zu Nr. II 1 oben aufgeführten, in den Landestheilen nördlich des Mains gelegenen Gemeinden keine Anwendung, vielmehr sind solche Sendungen von den Beamten etc. dieser Gemeinden frankirt, unter Zahlung des Portos an die in den Landestheilen südlich des Mains befindlichen Großherzoglichen Behörden etc. abzusenden. Kommt eine derartige Sendung unfrankirt und mit Porto belastet an, so ist - im Falle der Annahme - das Porto nach Maßgabe des §. 39 pos. X. des Reglements vom 11. December 1867 zu dem Gesetze über das Postwesen des Norddeutschen Bundes:
"etc. Die Staatsbehörden sind befugt, auch nach erfolgter Annahme und Eröffnung portopflichtiger Sendungen die Briefcouverts zu dem Zwecke an die Postanstalt zurückzugeben, das Porto von dem Absender nachträglich einzuziehen. Für eine solche Einziehung von Porto werden  keinerlei Gebühren in Ansatz gebracht."
wieder einzuziehen.

Als Sendungen in Gemeinde Angelegenheiten gelten namentlich die Sendungen, betreffend die eigentliche Verwaltung des Gemeinde-Vermögens oder der Gemeinde-Anstalten durch oder für den Ortsvorstand innerhalb der gesetzlich oder durch den Voranschlag genehmigten Grenzen seiner Befugnisse, namentlich den Vollzug genehmigter Arbeiten und Anschaffungen: alles was zum Behufe der Erhebung, Beitreibung und Verrechnung des Gemeinde-Einkommens, einschließlich der Umlagen, bis zu dem Punkte geschieht, wo die Pfändung zu verfügen ist oder die Rechnung eingesendet wird, sowie das, was im Interesse der Gemeindeverwaltung bei oder nach dem Vollzuge der Pfändungen oder Beschlagnahmen geschehen muß, ferner alle Verhandlungen über Beitreibung von Gemeinde-Ausständen auf anderem als dem gesetzlichen Administrativwege, z. B. im Auslande; alles, was auf die Erfülung von Verbindlichkeiten der Gemeinden, welche denselben nicht im allgemeinen polizeilichen Interesse obliegen, Bezug hat, insbesondere rücksichtlich der Armenpflege die Verhandlungen, welche durch gesetzliche Verpflichtung der Gemeinden zur Ernährung, Beerdigung etc. der  .... sei es am Ort oder auswärts, veranlaßt werden.

III. Die in der Uebereinkunft vom 7. December 1869 aufrecht erhaltenen Portofreiheiten werden selbstverständlich durch vorstehende Bestimmungen  nicht berührt. Insbesondere werden Sendungen zwischen Großherzoglichen Behörden etc. einerseits und Gemeinde-Beamten etc. andererseits,  zwischen Großherzoglichen Behörden etc. unter sich und zwischen Gemeinde-Beamten etc. unter sich in Militär-Angelegenheiten, wo zu namentlich das Militär-Ersatz-Geschäft betreffende Sendungen gehören, auch fernerhin portofrei befördert, wenn sie als Militär-Dienstsachen gehörig kenntlich gemacht und mit amtlichem Siegel verschlossen sind; Sendungen dieser Art sind daher von den Großherzoglichen Behörden etc. wie von den Gemeinde-Beamten etc. stets unfrankirt, unter der Bezeichnung "Militaria" und mit amtlichem Siegel verschlossen abzusenden. Sollten derartige Sendungen etwa in Folge mangelhafter Bezeichnung oder aus Versehen mit Porto belastet ankommen, so ist - im Falle der Annahme - die Portofreiheit der austaxirten Sendung: a) durch Vorzeigen des Inhalts, oder b) durch Bezeichnung des Absenders und bescheinigte Angabe des Inhalts, oder c) in sonst glaubhafter Weise darzuthun und die Erstattung des erhobenen Porto's Seitens der Postanstalt zu bewirken. Diese Erstattung erfolgt indessen nur gegen Rückgabe des Couverts oder einer, mit allen Postzeichen versehenen, beglaubigten Abschrift desselben.

Darmstadt, den 27. März 1871.